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Perle

Mehr als einfach hinkippen

Annemarie Keusch

Die Betreiber der Deponie Babilon erzählten am Netzwerkanlass aus ihrem Alltag

Die Lastwagen fahren hin, kippen das Aushubmaterial und gehen wieder. So einfach ist das nicht. Das erfuhren über 70 Interessierte am Netzwerkanlass, den die Repla Oberes Freiamt zusammen mit der Industrievereinigung Muri und der Gewerbevereine Muri und Sins organisierte.

Annemarie Keusch
Es geht um ökologische Ausgleichsflächen, um Feststoffproben, aber auch um mit GPS-System ausgerüstete Dozzer, die das Aushubmaterial zwar verteilen, aber nach wie vor wissen, wo das Material welches Lastwagens und damit welcher Baustelle gelagert ist. Der Betrieb der Aushubdeponie Babilon ist komplexer, als es sich wohl ganz viele vorstellen. Dass es aber ein Thema ist, das interessiert, zeigt der Besucheraufmarsch. Über 70 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Gewerbe oder Gesellschaft kamen auf Einladung der Repla Oberes Freiamt, der Industrievereinigung Muri und der Gewerbevereine Sins und Muri auf dem Erdhügel zwischen Dietwil und Oberrüti zusammen. Der Grund war nicht die herrliche Aussicht auf die Bergwelt, die sich dort bietet. Der Grund war der Erdhügel selbst – die Deponie Babilon.

Dietwils Gemeindeammann Pius Wiss, der seit Jahren ebenfalls als Repla-Präsident amtet, kennt die Geschichte der Deponie bestens. 2008seien die ersten Ideen entstanden.«Nachher galt es ganz viele ganz unterschiedliche Fragen zu beantworten. Uns als Gemeinderat war es wichtig, dass wir dabei die Führung hatten. Wir wollten nicht, dass die fünf Grundeigentümer gegeneinander ausgespielt werden», blickt Wiss zurück. Immer einfach sei der Weg von der ersten Idee bis zum ersten Lastwagen, der sauberes Aushubmaterial ablud, nicht gewesen. «Es galt ganz verschiedene Ansprüche zusammenzubringen, etwa auch, dass der Radweg nach Sins nicht niveau gleich gequert werden darf. Sonst hätten sich in der Bevölkerung keine Mehrheiten finden lassen.»

Viele falsche Vorstellungen
Und es galt sich für einen möglichen Betreiber zu entscheiden. «Weil die Deponie Freiamt AG schon in Beinwil gute Arbeit leistete, entschieden wir uns für sie.» Für die Gemeinde hingegen sei alles Neuland gewesen.«Uns ging es wie vielen. Auch wir hatten falsche Vorstellungen, vielleicht auch den Deponien geschuldet, wie es sie vor 50 Jahren gab, wo einfach der gesamte Abfall verschüttet wurde.» Entsprechend viel Informations- und Aufklärungsarbeit sei nötig gewesen. Und damit ist auch nach einigen Jahren des Betriebs nicht Schluss.«Wir sind froh, uns immer wieder zeigen zu können», sagt Dieter Greber von der Deponie Freiamt AG.2003 sei die Gesellschaft gegründet worden aus neun Firmen, die auf dem Markt eigentlich Mitbewerber sind, hier aber zusammenspannen. Zehn Jahre nahm die Planungsphase in Anspruch. Etwa musste eine Einspurstrecke bei der Kantonsstrasse realisiert werden, aber auch eine Pneuwaschanlage, Installationen für die Zufahrtskontrolle. Das sind nur wenige Beispiele. Seit 2019 wird die Deponie mit sauberem Aushubmaterial gefüllt. 16 Hektaren umfasst die Fläche, rund 1,4 Millionen Kubikmeter beträgt das Volumen. «Die Hälfte ist voll», sagt Greber.

Zu 99 Prozent sauberes Material
Toni Leu ist Deponiewart. Und er betont, dass hier nur sauberes Aushubmaterial angeliefert werden darf.«Das heisst, es müssen mindestens99 Gewichtsprozent sein», präzisierter. 99 Prozent des Gewichts müssen Stein, Erde oder Fels sein, ein Prozent dürfen beispielsweise Tonröhrchen sein. Neu würden alle 10 000Kubikmeter Feststoffproben entnommen und ausgewertet. «Bei Verschmutzung muss der Lieferant das Material wieder abholen», sagt Leu. Wie er wisse, woher welcher Dreck stamme? «Alle Lieferanten sind registriert, müssen die Baustelle angeben, bevor sie in die Deponie einfahren», erzählt Toni Leu. Kameras erfassen die Fahrzeuge digital, kontrollieren auch die Fracht. Beim Kippen kontrolliert der Deponiewart. Und eben, neu werden Proben genommen.«Die Dozzer sind mit GPS ausgestattet. Weil wir wissen, wann welches Aushubmaterial abgeladen und wohin verteilt wurde, können wir das genau nachvollziehen.»Leu spricht aber auch über ökologische Aspekte. Zum Beispiel darüber, dass der Ober- und Unterboden abgetragen wird, bevor eine Fläche aufgefüllt wird. «Bei der Rekultivierung kommt dies wieder obendrauf, damit die Landwirtschaftsfläche wieder kultivierbar ist.» Wobei dies in den ersten fünf Jahren nur eingeschränkt möglich sei. «Grünland ist möglich, düngen oder ackern nicht», sagt Leu. Nach fünf Jahren folge eine Schlusskontrolle und nachher sei die Fläche wieder wie jede andere.

112 000 Fuhren
Aber die Deponie hinterlässt die Fläche nicht nur so, wie sie war, einfach überall einige Meter höher. Es sei Pflicht, 15 Prozent ökologische Ausgleichsfläche zu schaffen. Bäche werden beispielsweise offengelegt, naturnahe Flächen angepflanzt. Dennoch weiss Leu, dass eine solche Deponie auch Emissionen verursache. 112 000 Lastwagenfuhren kommen über die gesamte Betriebsdauer zusammen. Die offenen Flächen sorgen dafür, dass bei Starkregen weniger Wasser absorbiert wird. «Dafür haben wir ein Absetzbecken gemacht, wo die Feinanteile sich setzen können, damit dieses Wasser nicht direkt ins Netz eingeleitet wird.» Und auch gegen Neophyten, die in naturnahen Gebieten wachsen, kämpft die Deponie Freiamt AG an.
«Mehr als das Kippen von Dreck», so fasst es Pius Wiss zusammen. Vielmehr, das zeigte der Besuch eindeutig. Und die Aussicht in die Innerschweizer Berge kommt als Pluspunkt hinzu.

Bild: Annemarie Keusch

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