Ein Blick in die Zukunft
Vom Fahrzeugschlosser bis zur Betreuung – an den Berufserkundungstagen «Berufe Muri+» hat es für jeden etwas dabei.
Aktuell beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler der zweiten Oberstufe mit der Berufswahl. Praktischen Einblick gewährt ihnen das Projekt «Berufe Muri+» in diesem Jahr in 59 Berufe
Es ist laut in der grossen Halle A der Notterkran AG in Boswil. Grosse Lastwagenfahren hier ein und aus. Während bei den ersten zwei Spuren Reparaturen getätigt werden, gilt es im hinteren Bereich der Halle, vorgefertigte Teile auf den Militärfahrzeugen anzubringen. Es wird geschraubt, gehämmert und geschweisst – vielfältig sind die Arbeiten, die hier getätigt werden. Das sehen auch die fünf Jugendlichen, die von Beat Näf und Jonas Harm durch den Betrieb geführt werden. Was dieser genau macht und wieder Beruf im Alltag aussieht, lernen die Achtklässler an diesem Morgen im Rahmen der «Berufe Muri+» kennen.
Bild von Beruf konkretisieren
Während zwei Tagen können die265 Schülerinnen und Schüler in87 Firmen und 59 Berufe schauen. Dies soll ihnen helfen, sich bei der Berufsfindung besser kennenzulernen. So auch der 13-jährige Silas Schwarzenberge rund der 14-jährige Reto Huber aus Mühlau. Nach einer Einführung in den Betrieb und einem Rundgang gilt es für die beiden ernst. Während sich ein Teil der Gruppe am Führen des Probekrans testet, werden im Gebäude selber nun Teile zusammengeschweisst. Unter den Augen und mit Hilfe von Beat Näf schweissen die beiden Achtklässler verschiedene Teile zusammen, dient weder ein Namensschild oder einen Stifthalter geben, der nach Hause genommen werden kann. «Ich wusste nicht, was ein Fahrzeugschlosser ist. Der Name hat sich interessant angehört, darum bin ich hier», erklärt Silas Schwarzenberger.«Ich hatte ein komplett anderes Bild vom Beruf. Aber ich finde die Arbeit sehr cool.» Dem stimmt Kollege Reto zu. Auch er könne sich nun etwas unter dem Beruf vorstellen.
«Ich dachte, es ginge nur um das Herstellen von Schlössern für Fahrzeuge. Da die Arbeit viel vielfältiger ist, könnte ich mir das gut vorstellen, später einmal so einen Beruf zu machen.» Genau hier setzt «Berufe Muri+» an: Es soll Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit bieten, im Rahmen des Fachs «Berufliche Orientierung»auch hautnah zu erleben, was in der Arbeitswelt praktisch alles passiert.«Oft kommt es vor, dass die Jugendlichen eine falsche Idee von einem Beruf haben», weiss Beat Huber. Der Realschullehrer aus Muri ist im Projekt nebst Lukas Bättig vom Gewerbeverband und Adrian Bucher vom Industrieverband Organisator der Berufserkundungstage.«Meist ist dieser Anlass der erste konkrete Kontakt mit der Berufswelt. Und der ist ungemein wichtig für den Entscheidungsprozess.»
Junge Berufe haben Plattform
Das trifft an diesem Nachmittag einige wenige Meter weiter in der Boswiler Industrie auch für andere fünf Achtklässlerinnen und Achtklässler zu. Sie informieren sich in der ITS Kanal Services AG darüber, was ein Entwässerungstechnologe genau macht. Schnell stellt sich an der gemeinsamen Vorstellungsrunde heraus dass allen der Beruf unbekannt ist. Das verwundert nicht – schliesslich gibt es den Beruf erst seit acht Jahren, wie Ausbildungsverantwortliche Hanna Hosemann erklärt. Für Jonas Locher, der in Muri die Sek 2b besucht, war der Besuch definitiv ein Mehrwert: «Ich dachte, es geht hier nur um die Kanalisation. Dabeiist man als Entwässerungstechnologe auch bei Naturkatastrophen oder bei Problemen im Haushalt unterwegs.» Auch Beat Huber, dessen Schülerinnen und Schüler während der Berufserkundungstage teilweise sechs Berufe besuchen, wird an diesen zwei Tagen unterwegs sein. «Die Berufslandschaft verändert sich stetig. Auch ich als Lehrer kenne nicht alle Berufe.» Deshalb seien auch für ihn diese Tage immer wieder interessant.
Bedürfnis nach professionellen Mitarbeitern ist gross
Nebst dem Einblick in den praktischen Berufsalltag wird den Schülerinnen und Schülern in den Betrieben auch die Möglichkeit geboten, Fragen rund um die Ausbildung und das Bewerbungsverfahren zu stellen. So kann es in gewissen Berufen entscheidend sein, welche persönlichen Eigenschaften man mitbringen muss, etwa bei einem Job in der Pflege oder der Betreuung. Dass dieses Berufsfeld auf grosses Interesse stösst, merkte auch die Institution Roth-Haus in Muri. Gleich 10 Schülerinnen und Schüler haben sich für eine Besichtigung angemeldet, um den Beruf als Fachperson Betreuung mit Fachrichtung Menschen mit Beeinträchtigung kennenzulernen. Nebst Berufsbildnerin Eliane Nogara begrüssen auch die ehemalige Lernende PaulaIten und die 3.-Lehrjahr-Lernende Julienne Abächerli die Gruppe. «Man muss definitiv Empathie sowie gute Kommunikationsfähigkeiten haben und sicher offen sein für Menschen, die anders sind», erklärt Abächerli den Schülerinnen und Schülern. Der Beruf bringe viele schöne Momente, aber auch Herausforderungen mit sich. «Dessen muss man sich bewusst sein.» Nach Übungen, in welchen sich die Schülerinnen und Schüler in die Rolle des Klienten versetzen sollten, dem Besuch der Wohngruppe und der Arbeitsplätze der betreuten Tagesstruktur haben Lenia Greter und ihre Kollegin Erisa Rexhepi konkretere Vorstellungen von den unterschiedlichen Berufen im Betreuungs- und Gesundheitswesen. «Es hat uns tatsächlich sehr geholfen und die Berufserkundungstage sind wertvoll», so Erisa Rexhepi. Und für Schülerin Livia Scherer hat der Einblick an diesem Tag noch ein unerwartetes Ende: Sie fragt Eliane Nogara, wie sie sich für ein Praktikum bewerben kann.«Der Tag im Roth-Haus hat mir die Motivation gegeben, danach zu fragen. Es hat mir sehr gut gefallen.» Für die Institution Roth-Haus ist der Besuch der Schülerinnen und Schüler im Rahmen von «Berufe Muri+» eine Premiere. Eliane Nogara ist positiv überrascht, wie viele Jugendliche sich für die Besichtigung angemeldet haben. Für sie ist es ein sinnvolles Projekt, das einen Mehrwert bringe: «Das Bedürfnis nach professionellen Mitarbeitenden ist gross, auch bei uns. Und potenziellen Lernenden vorab den Beruf zu zeigen, sie in der Institution herumzuführen, ist sicherlich ein guter Weg.»